Thüringische Landeszeitung
Donnerstag, 18.11.1999

"Außenministerin" sondierte in Jena

Corinne Poulain aus der Partnerstadt Aubervilliers zu Gast

Peter Müller, Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Jena (r.), und Olaf Schroth, Vorsitzender des Freundeskreises für Internationale Partnerschaften (l.), begleiteten Dr. Corinne Poulain in Jena.
Foto:Stidde

Jena. (tiz/ide) Die Städtepartnerschaft zwischen Jena und dem französischen Aubervilliers gewinnt mehr und mehr an Profil. Ein Schrittmacher in dieser noch "jungen Liebesangelegenheit" ist Dr. Corinne Poulain. Die 28-jährige Direktorin für Internationale Beziehungen von Aubervilliers war seit Montag bis gestern Abend Gast unserer Stadt — und absolvierte ein reichhaltiges Programm. In der "Kindervilla" zum Beispiel sondierte sie Möglichkeiten, Kinder beider Städte gemeinsam die Ferien verbringen zu lassen (zumal die "Kivi" fünf Jahre Erfahrung mit ihrer "Euro-Werkstatt" hat) oder einen Ferien-Austausch zu organisieren. Beim Termin im Adolf-Reichwein-Gymnasium kam das Projekt für neue Methoden des Literaturunterrichts zur Sprache; sieben Jenaer Schulen sind hier eingebunden.

Die gemeinsame Leidenschaft und das Menschliche

Auf sperrangelweit geöffnete Türen traf Dr. Corinne Poulain in der Judo-Abteilung des TuS. Trainer Lothar Gwosdz sei gerade für seine Schützlinge auf der Suche gewesen nach neuen sportlichen Projekten, so beschrieb es gestern Dr. Poulains "Jenaer Stadtführer" Peter Müller, der Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Jena. Und da kam Gwosdz die Einladung der charmanten Französin wie ein Geschenk vom Himmel: Die Jenaer fahren zum Samurai-Cup, dem jährlich Ende März stattfindenden internationalen Judo-Wettbewerb in Aubervilliers. "Unsere Judoka haben nicht nur Interesse am Sport, sondern auch an Freundschaften. Also von der gemeinsamen Leidenschaft zum Menschlichen", sagte Dr. Poulain in fließendem Deutsch (ihren Doktor machte sie von 1990 an in Berlin).
Bei Stadtmuseumsdirektor Holger Nowak holte sich die hübsche "Außenministerin" von Aubervilliers wegen des anstehenden Aufbaus eines Stadtmuseums guten Rat und die Zusage ideeller Unterstützung. Besonders habe ihr Nowak ans Herz gelegt, kein Projekt anzugehen, ehe es nicht finanziell untermauert ist. Unbestreitbar jedenfalls sei, dass es auch in Aubervilliers einiges an lokaler Geschichte aufzuarbeiten gibt, sagte Dr. Poulain. Beispiel Pierre-Etienne Laval. Der 1945 wegen Kollaboration mit den Deutschen hingerichtete französische Ministerpräsident war 15 Jahre lang Oberbürgermeister von Aubervilliers. — Eine Zusammenarbeit kann sich Dr. Poulain auch mit der Ernst-Abbe-Bücherei vorstellen, zumal die Stadtbücherei in Aubervilliers ebenfall gerade erwägt, mit ihrem Katalog ins Internet einzusteigen. Eine Fernausleihe wäre dann leicht möglich. Corinne Poulain bot der "EAB" überdies an, den französischen Bestseller-Autor Tahar Ben Jelloun ( "Papa, was ist ein Fremder?" ) für eine Lesung in Jena zu gewinnen.
"Blut geleckt" hat nach Dr. Poulains Beschreibung auch das Theaterhaus-Team — zumal das Nationaltheater in Aubervilliers einen ähnlichen experimentellen Anspruch und das dortige "Laboratorium" des Francois Verret international guten Ruf hat.


Thüringische Landeszeitung
Freitag, 05.11.1999

Bretagne-Urlaub mit Franzosen

Städtepartnerschaft mit Aubervilliers: Jetzt wird's konkret

Jena. (tiz/ide) Die Städtepartnerschaft mit dem französischen Aubervilliers kommt ein halbes Jahr nach vertraglicher Fixierung der Liaison voll in Fahrt. 66 gemeinsame Projekte sind nunmehr ins Auge gefasst, so erfuhr TLZ gestern im Gespräch mit Peter Müller, Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Jena, und Olaf Schroth, Vorsitzender des Freundeskreises für Internationale Partnerschaften. "Allerdings haben wir Prioritäten gesetzt", sagte Peter Müller. Drum gibt es 23 Vorhaben, die dieses Jahr angekurbelt und nächstes Jahr verwirklicht werden sollen, wie Müller bei seinem Besuch in Aubervilliers vor wenigen Tagen mit den französischen Freunden festlegte.
Da wäre etwa das Angebot für Jenaer Bürger, Aubervilliers' kommunale Ferienhäuser in den französischen Alpen oder etwa in der Bretagnezu nutzen - und bei dieser Gelegenheit womöglich Freundschaft mit Familien der französischen Partnerstadt zu schließen. Ähnliches Prinzip: An der Atlantik-Küste hält Aubervilliers ein Objekt für Schulklassen, das fortan Ort der Begegnung mit Jenaer Kindern sein kann. Ohnedies verfügen bereits sieben Jenaer Schulen über Kontaktadressen von Schulen in der Partnerstadt - hier ist daran gedacht, in einem gemeinsamen Projekt neue Methoden des Literaturunterrichts zu probieren.
Auch wird Jena im Juli Nutznießer des heißen Drahts zwischen Aubervilliers und dem Jugendamt Köln sein, das mit jeweils sieben Jugendlichen aus den insgesamt zehn Partnerorten beider Städte einen Workshop zum Thema "Umweltschutz im weitesten Sinne" veranstaltet, wie Peter Müller sagte.
Es ist ein Geben und Nehmen, wie etwa der Kontakt zwischen der Ernst-Abbe-Bücherei und der Stadtbibliothek von Aubervilliers zeigt;
so soll es eine Lesung französischer Autoren in Jena geben. Konzeptionell wiederum will Jena den Franzosen beim Aufbau eines Stadtmuseums helfen. Oder: Peter Müller brachte aus Aubervilliers von Badminton-, Fecht- und Judo-Sportlern Wünsche nach Kontakten mit dem TuS Jena mit.
Oder: Empoli, die toscanische Partnerstadt Aubervilliers', will im Sommer 2000 auch Jena wie alle Partnergemeinden der beiden Städte einbinden in eine große politische Diskussionsrunde.
Von besonderem Reiz dürfte ein dokumentarisches Projekt sein: Je ein Fotograf aus Jena und Aubervilliers wird die Partnerstadt vor seine Linse nehmen. Die Foto-Reportagen sollen dann in Ausstellungen zu sehen sein.
2000

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